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Beim Ableben einer nahestehenden Person treten häufig neben der Trauer und dem Abschied auch komplexe finanzielle und rechtliche Fragen auf: Wie setzt sich der Nachlass zusammen? Wer erhält was und zu welchem Wert? Wie können Konflikte vermieden werden?

Schätzungen zufolge beträgt das jährliche Erbschafts- und Schenkungsvolumen in der Schweiz rund 95 Milliarden Schweizer Franken, wovon ein substanzieller Anteil aus Immobilien besteht. Die Vererbung von Immobilien kann besondere Herausforderungen mit sich bringen. Dazu zählen etwa Meinungsverschiedenheiten in der Erbengemeinschaft über das Schicksal der häufig nicht sinnvoll teilbaren Liegenschaft, mangelnde Liquidität für die Ausgleichung ausscheidender Erben oder die Bestimmung des Verkehrswertes für die Berücksichtigung in der Erbteilung. Eine sorgfältige Nachlassplanung unter Beizug von Spezialisten ist deshalb zentral.

Nathalie Eser Wolfer ist Senior Wealth Planner bei der Bank Julius Bär und berät Privatkunden der Bank in sämtlichen Belangen der Nachlassplanung. Julius Bär Real Estate hat ihr zu diesem Thema die folgenden Fragen gestellt:

Was passiert, wenn Liegenschaften vererbt werden?

Liegenschaften fallen, wie die restlichen Nachlasswerte, mit dem Tod der Erblasserin oder des Erblassers an die Erben als Gesamteigentümer. Erbengemeinschaften sind Zwangsgemeinschaften; Entscheidungen können von diesen nur einstimmig durch sämtliche Erben getroffen werden. Ebenso haftet die Erbengemeinschaft für alle Schulden im Zusammenhang mit dem Nachlass solidarisch.

Aufgrund der erschwerten Teilbarkeit von Liegenschaften empfiehlt es sich, die Zuteilung einer Liegenschaft an einen Erben oder eine Erbin zu prüfen, damit sich die Erbengemeinschaft diesbezüglich nicht einigen muss. Eine solche sogenannte Teilungsvorschrift hat in einer Verfügung von Todes wegen zu erfolgen.

Weshalb sind Liegenschaften in Nachlässen besonders anspruchsvoll?

Liegenschaften sind meist nicht nur finanzielle Anlagen, sondern oft mit Emotionen verbundene Nachlasswerte. Wenn eine Liegenschaft nicht in der Erbengemeinschaft belassen werden kann oder soll, stellt sich – bei Fehlen einer Teilungsvorschrift - die Frage, wer die Liegenschaft übernimmt und wie hoch der Anrechnungswert sein soll. Massgebend ist dabei grundsätzlich der Verkehrswert der Liegenschaft, welcher vorzugsweise durch einen neutralen Experten ermittelt wird. Ebenfalls zu berücksichtigen ist die latente Grundstückgewinnsteuer, welche bei der Erbteilung grundsätzlich aufgeschoben wird, bis ein Verkauf erfolgt.

Falls der Wert der Immobile den Erbteil des übernehmenden Erben übersteigt, muss von diesem eine entsprechende Ausgleichung an die Miterben geleistet werden. Können sich die Erben über die Zuteilung der Liegenschaft nicht einigen, sieht das Gesetz den Verkauf und die Teilung des Erlöses vor. Falls keine Einigung über das Vorgehen zu Stande kommt, kann jeder Erbe bei Gericht auf Teilung klagen. Solche Prozesse sind jedoch meist zeit- und kostenintensiv.

Wie können Konflikte unter den Erben verhindert oder minimiert werden? Welche Planungsmöglichkeiten gibt es?

Zur Vermeidung von Differenzen, empfiehlt sich (neben der bereits erwähnten Teilungsvorschrift) eine frühzeitige und vorausschauende Nachfolgeregelung. In der Regel werden die besten Lösungen erzielt, wenn sämtliche Parteien in den Planungsprozess einbezogen werden. Auf diese Weise können Teilungsvorschriften und Anrechnungswerte einvernehmlich festgelegt werden. Damit sie rechtsverbindlich sind, müssen die Regelungen in einem Testament oder Erbvertrag festgehalten werden. Mittels Erbvertrages können bindende Verfügungen getroffen werden, welche nur mit Einverständnis sämtlicher Parteien aufgehoben werden können. Zudem müssen die Pflichtteile bei Einverständnis der mitwirkenden Parteien diesfalls nicht berücksichtigt werden.

Im Unterschied zum Erbvertrag ist das Testament eine einseitige Verfügung, welche von der verfügenden Person jederzeit geändert oder widerrufen werden kann. Bei verheirateten Personen ist zudem das Ehegüterrecht zu berücksichtigen, da dieses insbesondere zur Absicherung des überlebenden Ehegatten zusätzliche Planungsmöglichkeiten bietet.

Wie verhält es sich mit lebzeitigen Schenkungen von Liegenschaften?

Lebzeitige Schenkungen sind beliebt. Nicht selten übertragen Eltern ihr Vermögen in mehr oder weniger grossem Umfang bereits zu Lebzeiten an ihre Nachkommen. Die lebzeitige Schenkung einer Liegenschaft an einen Nachkommen stellt grundsätzlich einen Anwendungsfall eines Erbvorbezugs dar. Das heisst, der beschenkte Nachkomme muss sich den Verkehrswert im Zeitpunkt des Todes bei der Erbteilung an seinen Erbteil anrechnen lassen (und gegebenenfalls eine Ausgleichung leisten). Entspricht dies nicht dem Wunsch der Eltern, müssen sie die Schenkung ausdrücklich als «nicht ausgleichungspflichtig» bezeichnen. Allerdings darf die Anordnung der Eltern die Pflichtteile der übrigen Kinder nicht verletzen. Andernfalls können diese ihren Pflichtteilsanspruch klageweise geltend machen.

Heikel wird es, wenn Eltern ihren Nachkommen ein Vermögenswert zwar entgeltlich, aber zu günstigeren Konditionen übertragen (sogenannt gemischte Schenkung). Fehlt es an einem Ausgleichungsdispens, gelangt bei gemischten Schenkungen die sogenannte Quotenmethode zur Anwendung. Diese besagt, dass die Schenkung nur im Rahmen der entsprechenden Quote, jedoch nach deren Wert im Zeitpunkt des Todes, ausgeglichen wird.

Bei lebzeitiger Übertragung des Familienheims an die Nachkommen behalten sich die Eltern häufig die Nutzniessung oder das Wohnrecht vor. Der Nutzniesser hat das Recht, die Immobilie selbst zu nutzen oder die Mieteinkünfte zu beziehen. Im Gegenzug hat er grundsätzlich die Kosten für den gewöhnlichen Unterhalt und die Bewirtschaftung der Liegenschaft sowie Schuldzinsen auf Hypotheken zu tragen. Zudem wird ihm die Liegenschaft steuerlich zugerechnet. Die Kosten für grössere Arbeiten (wie aufwändige Reparaturen oder andere Massnahmen, die für den Erhalt der Liegenschaft unerlässlich sind) trägt hingegen der Eigentümer. Weil der Nutzniesser nicht Eigentümer ist, darf er die Liegenschaft ohne Zustimmung des Eigentümers weder belasten noch verkaufen.

Beim Wohnrecht handelt es sich um ein persönliches Recht, das dem Inhaber des Wohnrechts den Anspruch einräumt, in einem Gebäude oder einem Teil davon zu wohnen. Im Unterschied zum Nutzniesser kann der Inhaber des Wohnrechts die Ausübung dieses Rechts nicht übertragen. Der Inhaber des Wohnrechts muss lediglich für die Unterhaltskosten aufkommen und den Eigenmietwert als Einkommen versteuern. Im Gegensatz zur Nutzniessung muss der Eigentümer der Liegenschaft die Hypothekarzinsen und die Versicherungsprämien bezahlen.

Zu erwähnen bleibt, dass ein Erbvorbezug unter Vorbehalt eines Wohnrechts oder einer Nutzniessung in der Erbteilung gewichtige Folgen (hinsichtlich des Anrechnungswertes) nach sich ziehen kann. Es empfiehlt sich deshalb, solche Planungen nur unter Beizug von Spezialisten vorzunehmen.